verfasst am 15.02.2016 um 17:00 Uhr von Otfried
Graham heißt der Mensch, dem wir unser Leben anvertrauen. Doch der gebürtige Australier lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass wir sicher wieder landen werden, denn er gibt seine Anweisung zwar freundlich, aber auch so strikt und bestimmt, dass man sofort weiß, dieser Mensch ist von Fach und hat Ahnung. Wenn er über die Wintersaison seinen Ballon nicht über das Tempelmeer von Bagan lenkt, dann steuert er ihn über die migrierenden Tiere von Kenias Masai Mara oder über die Schluchten Colorados. Mit Hochdruck wird Helium in den Ballon geschossen, dann hebt sich das Monstrum wie ein träger Koloss in die Höhe und nachdem der Korb horizontal steht und wir ihn bestiegen haben, heißt es "Leinen los" für eine der atemberaubendsten, aber auch teuersten Möglichkeiten Bagan zu entdecken.
Lautlos fliegen wir über das Tempelmeer hinweg, zu unseren Füßen das Erbe der Bamaren, die hier zwischen dem 10. und 13. Jahrhundert mehr als 12.000 Pagoden errichteten, dessen Anblick sogar den Mongolenführer ins Staunen versetzte, was ihn freilich nicht darin hinderte, das Land einzunehmen. Nach verschiedenen Erdbeben sind es heute noch etwas mehr als 2.000 Pagoden und Tempel (eine Pagode ist in ihrem Inneren nicht zugänglich, ein Tempel schon), die im Licht der Morgensonne und mit typischen Dunst für die Trockenzeit Bagans für eine atemberaubende Atmosphäre sorgen. Graham landet uns nach einer Stunde so sicher und sanft, wie er gestartet ist, und bei einem Glas Champagner feiern wir die Taufe unserer ersten Ballonfahrt.
Dann trennen sich Martins und meine Wege. Er entdeckt Bagan mit dem Bus, ich steige aufs Rad, um parallel dazu von Tempel zu Tempel zu fahren. Die wichtigsten schauen wir uns an: Ananda, Gubyaukgyi und Shwezigon. Zu den Lackarbeiten und zum Sonnenuntergang an der Shwesandaw Pagode ist Martin dann alleine. Ich habe die in der Luft herrschenden 45 Grad wohl offensichtlich unterschätzt: Mein Magen dreht kapriolen, aber unser Chef von Kaytumadi Hotel, in dem auch unsere Erlebnisreisenden untergebracht sind, ist ein fürsorglicher und wunderbarer Mensch. Er versorgt mich mit grünem Tee und Honig, was "in solchen Fällen hilft". Und er hat Recht! Nachdem Martin mir dann noch nach seiner Rückkehr berichtet, der Sonnenuntergang sei ohnehin an diesem Tag nicht so sensationell gewesen, bin ich nicht mehr ganz so traurig, ihn verpasst zu haben.