Reisebericht Nordindien vom 11.10.22 bis 02.11.22 (von W.Breitinger)
Indien ist alles andere als ein Urlaubsparadies, eben deshalb, weil es „alles andere“ ist: laut, hektisch, im Verkehrschaos erstickt, überwiegend bettelarm, in großen Teilen rückständig und mit religiösen Traditionen behaftet, u.v.a.m., ist es als Reiseziel höchst interessant.
Die Nordindien, Rajasthan,Varanasi u.a. bereisten wir mit mit einer kleinen Gruppe neugieriger Germanen.
Jaipur, die erste Stadt, die wir besuchten diente noch zur Eingewöhnung in dieses fremde Land. Menschengewimmel, endloses Gehupe und Kühe als überall präsente und respektierte Verkehrsteilnehmer.
Die „rote“ Stadt ist vor allem durch den Palast der Winde bekannt, bietet jedoch noch viele andere Sehenswürdigkeiten. Stadtpalast, Eingangstore und das Stadtleben selbst.
Etwas außerhalb liegt das Fort Amber, der touristische Hotspot wird vor allem von indischen Paaren gerne für inszenierte von Bollywood inspirierte Fotos genutzt. Auch hier ist die Smartphone-TicToc-Insragram Manie ausgebrochen.
Ein positive Überraschung für mich war das Jantar Mantar Observatorium Jaipur. Das von 1727 bis 1733 errichtete Observatorium mit 14 Bauwerken ermöglichte schon damals die Berechnung von Planetenbahnen und eine auf 2 Sekunden genaue Zeitbestimmung. Mich faszinierte vor allem die „kubistische“ Architektur mit ihren Himmelstreppen.
Der Besuch des Rattentempels in Deshnoke am Abend war schon etwas gewöhnungsbedürftig, deshalb auch spannend. Mann kann es sich fasziniert anschauen, zu begreifen ist das (für mich) nicht.
In Bikaner gab es einen prächtig ausstaffierten Jain Tempel (Jainismus ist eine eigenständige, jedoch dem Hinduismus ähnliche Religion, die Jains gelten als „wohlhabend“), ein prächtiges Fort mit Museum eine teilweise prächtig restaurierte Innenstadt und den Mann mit dem längsten Bart der Welt.
Der Kamelritt in die Wüste Tahr war nach den lauten Städten eine schöne Abwechslung. Da es jedoch vorher geregnet hatte war die Wüste nicht ganz so „wüst“, sonder mehr steppenartig. Den Kamelen und mir war das auch recht. Wir übernachteten in schönen bunten Zelten und konnten uns mit „Camel Man“ Seife waschen.
Nächste Station war Jaisalmer, wo wir auch in einem großartigen Palasthotel übernachteten.
Die Stadt liegt an einem See und wird von einem mauer-umgebenen Fortbereich überragt; im Fort liegt der historische Ortskern, der noch bewohnt ist. In der Unterstadt gib es einige Havelis (hist.Luxushäuser), die ebenfalls restauriert werden.
Jodhpur wird die blaue Stadt genannt, weil viele Fassaden und Dächer blau gefärbt sind, blau ist auch die Farbe der Kaste der Brahmanen. Auch hier befindet sich über der Stadt ein Fort (Mernaggarh) mit einem sehenswerten Museum.
Auf dem Weg nach Udaipur besuchten wir noch einen skurrilen Tempel (Om Banna Tempel). Hier wird ein Motorrad in einem Glaskasten ausgestellt, davor befindet sich ein kleiner Opferaltar. Dieser wurde an einem besonders unfallträchtigen Ort errichtet um weitere Unfälle zu verhindern.
Angeblich hat es seitdem kein Unfälle gegeben, vielleicht auch weil hier alle anhalten?
Auf dem weiteren Weg befindet sich in Ranakpur in einem Naturschutzgebiet einer der prächtigsten Jain Tempel. Zig Türme und unzählige Säulen sind mit unglaublich filigranen Figuren und Mustern versehen..
Die Stadt Udaipur ist umgeben von drei künstlich angelegten Seen. Im großen Maharadscha Palast befinden sich heute ein Museum und ein Luxushotel; einige Räume werden noch immer vom „Maharana“ als Residenz genutzt. Auf dem See befindet sich die Sommerresidenz, die in 1743-1746 errichtet wurde. Heute ist der Palast ebenfalls ein Luxushotel. Der Palast diente auch als Kulisse für die Filme „Der Tiger von Eschnapur“ und James Bond – Octopussy.
Pushkar ist bei Hippies ein besonders beliebtes Reiseziel. Wegen Covid sind sie aber zur Zeit nicht da. Zufällig fand während unseres Aufenthaltes auch nicht der berühmte Kamelmarkt statt. Dennoch ist das kleine 22 tsd. zählende Städtchen eine Besichtigung wert. Einige Pilger am See und ein beschauliches Dasein der Bevölkerung….
Nächstes Ziel war der Ranthambore-Nationalpark, bei den Mitreisenden stieg das Tiger Fieber und die Lust auf ein Naturerlebnis. Vom Hotel wurden wir in aller Herrgottsfrühe von einem LKW mit Sitzbänken auf der Pritsche abgeholt. Die Safari begann. Am Eingang zum Park konnte man eine Burg in den Felsen sehen. Den einzelnen Fahrzeugen wurden die Bereiche zugewiesen, in die sie fahren durften, um übermäßigen Betrieb zu vermeiden. Durch ein mit Schlingpflanzen umranktes Tor begann die Tour. Schon passierten wir einen kleinen hübschen See mit einem mit Störchen okkupierten Baum in der Mitte. Dann hält das Vehikel, Stille, Damwild, in knapp 20 Metern Entfernung, äst im schattigen Wald, dann auch noch ein junger Hirsch (Tigerfutter?)… Weiter im Schritttempo über steile Waldwege, dann Halt und Lauschen….dann weiter…. Halt, da könnte doch was sein…., so langsam wurde die erlaubte Zeit Knapp und der LKW machte sich auf den Rückweg. Auf einmal ein kleiner Verkehrsstau, hier gibt’s was!? Oben auf dem Berg ein kleiner Punkt, nichts für die, die keine Adleraugen haben. Warten, warten, dann irgendwann bewegt sich der Punkt, allmählich konnte ich ihn auch erkennen, und siehe da, langsam konnte ich sogar so etwas ähnliches wie einen Punkt mit Ohren erkennen. Der Punkt mit Ohren bewegte sich, ganz langsam… auch etwas von seinem Körper wurde sichtbar, etwas fleckig. Er schlich zum Berggipfel, die Silhouette des Tieres wurde langsam erkennbarer, auf dem Berggipfel konnte man das Tier endlich erkennen. Es war ein Leopard! Zwar kein Tiger, aber immerhin - auch nicht so schlecht.
Das war der erste Safari-Ausflug, der zweite Tiger Versuch sollte dann am Nachmittag stattfinden.
Ich jedenfalls war mit dem Leoparden zufrieden und es war mir auch nicht unbedingt so wichtig einen zweiten Versuch zu unternehmen. Stattdessen ging ich in der Nähe des Hotels spazieren und besichtigte eine kleines Bauerndorf mit einer Wasserstelle.
Die Nachmittags-Tour war ohne mich sehr erfolgreich: ein Tiger überquerte direkt vor dem Safari Fahrzeug den Weg, nun denn ich weiß nicht, was ich verpasst habe, ich bin jedenfalls nicht darüber enttäuscht. Zirkus, Zoo, Safari und dergleichen sind mir persönlich irgendwie auch suspekt.
Weiter geht’s jetzt wieder mit Baukunst. Auf dem Weg nach Bharatpur liegt das Örtchen Abhaneri, das wegen seines Stufenbrunnens zur Bekanntheit gelangt ist. Das wirklich beeindruckende Bauwerk wurde ca. ab dem 8.Jh. erbaut. Die Treppenmauern sind ca. 20 Meter hoch und umfassen ein tief liegendes Wasserbecken. Sinn und Zweck scheinen unklar, Tempel, Kultstätte oder was auch immer? Jedenfalls vermittelt es irgendwie eine einzigartige räumliche Wahrnehmung. Direkt gegenüber gibt es auch noch einen kleinen Tempel, der der Göttin Harshat Mata geweiht ist. Auf der anderen Straßenseite gibt es noch einen Friseur.
Agra, die nächste Station, dort befindet sich das bekannteste Wahrzeichen Indiens. Das Taj Mahl -
wird überflutet von Touristenströmen (in erster Linie Inder) . Im Umkreis von 2 km sind motorbetriebene Fahrzeuge aus Umweltschutz-Gründen verboten. Wir Westtouristen müssen zwar höheres Eintrittsgeld entrichten müssen dafür aber nicht so lange warten. Trotz der Touristenflut kann man jedoch die Erhabenheit diese Grabmals spüren.
Die zweite Attraktion in Agra ist das rote Fort, das ebenfalls stark besucht ist.
Nach einer reibungslosen Zugfahrt erreichten wir Orcha, einem ca. 6000 Einwohner zählendem Pilgerörtchen mit einem vielräumigen Fürstenpalast, dessen Baubeginn in der ersten Hälfte des 16.Jahrhundert datiert wird und später fortgesetzt wurde. Dort gibt es nicht nur den Palast, sondern der Bär war auch los. Hunderte von jungen Männer mit Pfauenfedern in der Hand, tanzten ekstatisch, um eine Frau zum heiraten zu finden (in Indien herrscht extremer Männerüberschuss). Zu diesem Tag haben sie ein Schweigegelübde abgelegt und versuchen sich mit Schmatztönen zu verständigen.
Khajuraho ist bekannt für seine Tempelbezirk mit seinen erotischen Darstellungen aus dem 10. bis 12. Jh. und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe. Während Karl der Große in Germanien am heiligen römischen Reich gebastelt hat, wurden hier Szenen aus dem Kamasutra mit handwerklicher Perfektion in Stein gemeißelt. Die Muster und Figuren sind fast vollständig dreidimensional aus dem Stein herausgearbeitet und keine Reliefs; eigentlich nicht nachzuvollziehen, wie das die Steinmetze geschafft haben. Selbst die Sockel und Friese sind in genauen Proportionen ausgearbeitet.
Was mich ein wenig wundert ist, das die zum Teil sehr deftigen Darstellungen nicht von der prüden indischen Regierung verborgen werden. (FSK+18?). Mir soll´s aber recht sein und mir gefällt´s.!
In Allahabad, das jetzt Prayagraj heißt, haben wir nur einen kurzen Abend verbracht und besuchten den Strand de Yamuna Flusses.
Varanasi, das ehemalige Benares, war eines der Highlights der Reise. Sie gilt als heiligste Stadt des Hinduismus. Massen von Hindis pilgern hierher und nehmen ein Bad im Ganges und wer es sich leisten kann, lässt sich auch hier nach dem Tod einäschern. Am ersten Abend unseres Aufenthaltes fuhren wir nach der Zeremonie am Gat mit zwei TucTucs zurück ins Hotel. Die Fahrt entsprach mehr einer Verfolgungsjagd in einem James Bond Film als einem normalen Verkehrsmittel. Dank eines hohen Adrenalinspiegels war ich vollkommen angstfrei. Im Norden von Varanasi besuchten wir noch den buddhistischen Tempel, der aber zu dem vorher erlebten eigentlich nicht erwähnenswert ist.
Mit dem Nachtzug von Varanasi erreichen wir Delhi, die Hauptstadt, die im Smogdunst lag. Nach des Besichtigung des dunstigen Regierungsbezirk und des Bahai Lotustempel besuchten wir noch den Sikhtempel, in dem es kostenloses „Essen für alle“gibt, nicht weil wir pleite waren, sondern um die Speisung zu beobachten. In riesigen Kochtöpfen wird von freiwilligen Helfern das Essen zubereitet und dann in Eimern an die Hungrigen in einem riesigen Saal ausgegeben. Ein Blick noch auf das rote Fort und ein Bummel über die gegenüberliegende „verbrennungsmotorfreie Fußgängerzone“ auf der auch zu Fuß kaum ein Durchkommen ist. Die Freitagsmoschee und das Ghandi Grabmal haben wir kurz vor Schluss auch noch erreicht.
Am nächsten Morgen war es an der Zeit für die Rückreise. Bis auf die überheblichen und die Reisenden schikanierenden indischen Beamten verlief auch diese angenehm und reibungslos.
Vielen Dank an Bahwani, der die Reise smart geleitet hat und die im Hintergrund wirkenden von world insight. Es war einfach toll!